Für sein maschinengewehrartiges Mundwerk bräuchte Twista eigentlich einen Waffenschein - stattdessen hat er einen Eintrag im Guinness Buch als schnellster Rapper der Welt. Er ist der Mann, den Ludacris, P. Diddy, Timbaland und Three 6 Mafia anrufen, wenn sie das gewisse superschnelle Etwas für ihre Songs brauchen. Er ist einer der am meisten imitierten MCs des Hip Hop. Er ist eine Underground-Legende, die jetzt endlich wieder in der Oberliga mitspielt, die sie einst maßgeblich umgekrempelt, aufgeräumt, revolutioniert hat. Man ahnt es: Twista ist zurück. Nach etlichen Jahren, in denen der Pionier aus Chicago Hits für andere Künstler gemacht hat, steht er jetzt kurz vor der Veröffentlichung seines vielleicht wichtigsten Albums, des mit Spannung erwarteten „Kamikaze“. Schon die erste Single „Slow Jamz“ mit Kanye West und Jamie Foxx hielt sich seit ihrer Veröffentlichung in den USA auf Platz 1 der Hip Hop-Charts - bis sie von Twistas neuer Single „Overnight Celebrity“ abgelöst wurde. Und mit segensreichen Kollaborationen mit Twista-Fans von R. Kelly über Ludacris, Memphis Bleek bis zu Goodie Mobs Cee-Lo und Soulstar Anthony Hamilton hält „Kamikaze“ noch einige Asse in der Hinterhand.
Schon mit seinem 97er Album „Adrenaline Rush“ demonstrierte Twista wie sein rasanter Ferrari-Flow funktioniert. Mit „Kamikaze“ beweist er, dass selbst dieser unglaubliche Style noch zu verbessern ist. „Der Titel „Kamikaze“ steht für zwei Dinge“, erklärt Twista. „Zuersteinmal steht dahinter der Gedanke, wie man wohl „Adrenaline Rush“ toppen kann. Was ist der ultimative Adrenalinschub? Eine Kamikaze-Aktion! Auf der anderen Seite, und auf einer etwas tieferen Ebene, fühle ich mich sowieso, als wäre ich ein Kamikaze in diesem Game. Wir wissen, dass das Musicbiz ganz schön abgefuckt ist, aber wir haben auch ein ganz genaues Ziel und lassen nichts unversucht, um es zu erreichen.“ Langjährige Twista-Fans, die die Karriere des durchgeknallten MC schon seit seiner Ernennung zum „schnellsten Rapper der Welt“ vom Guinness Buch verfolgen, werden begeistert sein, dass sich etliche seiner neuen Tracks direkt auf einige seiner Klassiker beziehen. „Kill Us All“ zum Beispiel ist eine direkte Referenz auf den Titel seines legendären 97er Albums. „Ich habe versucht, diesen Songs so wie „Adrenaline Rush“ anzugehen“, erzählt Twista. „Ich weiß auch, dass ich „Overdose“ Teil 2 aufnehmen werde und das genau da weitergehen wird, wo ich letztes Mal aufgehört habe. Und zwar genau deshalb, weil es diesen Beat und diesen Vibe hatte und ich mich eines Tages im Studio wieder voll darauf konzentrierte. Ich fing an, im Gang auf und ab zu gehen und einfach an irrsinnig tiefsinnigen, verrückten Scheiß zu denken.“ Twista macht sich auch an eine aktualisierte Version von „Feel So Good“, die den passenden Titel „Still Feels So Good“ trägt. Die neue Version, die von seinem langjährigen Mitstreiter Toxic produziert wurde und den grandiosen Hook-Star Jazze Pha im Chorus featuret, präsentiert Twistas smoothere, langsamere, Frauen verstehende Seite. Ebenfalls entspannt zeigt er sich auf „Drinks“. Über einem ansteckenden Funk-Beat von Toxic vergleicht und verknüpft diese lyrische Fallstudie beliebte Drinks von Crown Royal bis Alizé mit den dazu passenden weiblichen Persönlichkeiten. „Ich wollte mal was anderes machen“, erklärt Twista. „Ich liebe die Ladies und dieser Beat fühlte sich einfach wie ein West Coast-Club-Ding an. Ich musste sofort an Clubs und Chicks denken. Toxic saß mit mir im Studio und meinte: „Was ist eigentlich Dein Lieblingsdrink?“ Direkt danach haben wir gemeinsam den Hook gemacht und dann habe ich einfach angefangen auf den Beat zu rappen.“ Ergebnis: Die perfekte Partyhymne.
Auf „Kamikaze“ zeigt Twista seine volle Rap-Spannbreite. Über dem gangsternden Track „One Last Time“ von Kanye West (der schon für Jay-Z, Scarface und viele mehr produzierte) reduziert er sein Rap-Tempo und zeigt, wie effektiv er in jedem nur erdenklichen Style flowt. „Ich will den Leuten zeigen, dass ich auf jede mögliche Art und Weise rappen kann, wenn ich will“, meint er. „Ich muss nicht wirklich schnell rappen, obwohl ich weiß, dass das die Leute von mir hören wollen. Ich will auch Tracks machen, die den Leuten meine andere Seite präsentieren. Es geht schließlich um meine Kreativität.“ Einen Großteil seiner kreativen Inspiration verdankt Twista seiner Jugend auf den Straßen von Chicagos West Side. Dieses Ghetto voller Pimps, Player, Macks, käuflicher Damen und allen anderen nur denkbaren Unterweltfiguren spielt oft eine nicht ganz unwichtige Rolle in seinen Reim-Szenarien. Auf der Hymne „Pimp On“ gesellen sich deshalb zu Twista nicht nur 8Ball und Too $hort, sondern vor allem auch der wohl berühmteste Pimp von Chicago, The Arch Bishop Don Magic Juan (bei uns bekannt durch seinen Gastauftritt in Ice Cubes „Friday After Next“), um gemeinsam nicht nur die Regeln ihrer heimatlichen Straßen zu verdeutlichen, sondern vor allem um sich vor dem Hit zu verbeugen, mit dem Twista seinen ersten großen Erfolg hatte. „Der Song steht dafür, wie ich angefangen habe“, sagt Twista über „Pimp On“. „Der erste Song, auf dem mich die Leute da draußen wirklich wahrgenommen haben, war „Po Pimp“ von Do Or Die. Es geht dabei gar nicht so sehr um diese ganze Pimp-Glorifizierung, als vielmehr um den Vibe unseres Viertels. Ich wollte das transportieren und repräsentieren, woher ich komme. Und dafür wollte ich einfach noch ein paar echte Player mit auf dem Song haben.“
Als einer der einflußreichsten und meist nachgeahmten Protagonisten des Hip Hop-Game fühlt sich Twista oft zu wenig von anderen Künstlern respektiert. Auf dem dramatischen „Show Is Over“, auf dem auch Freeway und das Legit Ballin‘-Mitglied Beanie Franks zu hören sind, sowie auf dem giftzüngelnden „I Got This“ lässt sich Twista deshalb in vollen Zügen über seine Kontrahenten aus. Auf „I Got This“ zieht er eine verkürzte Bilanz über seine illustre Karriere und spricht dabei auch etliche der Gerüchte an, die seit „Adrenaline Rush“ über ihn im Umlauf sind. „Ich hatte meinen Spaß mit all diesen Gerüchten“, gibt er zu. „Ich wollte die Leute wissen lassen, dass ich wieder da bin und eben der Urheber dieses Styles bin, den heute alle imitieren. Und allen die sich an diesen Gerüchten festhalten, wollte ich natürlich die Wahrheit erzählen.“ Die Wahrheit ist, dass Twista eine der wichtigsten Personen in der Geschichte des Rap ist. Lange bevor sich andere – und, nein, Namen werden nicht genannt – mit ultraschnellem Reimen an die Chartspitzen katapultierten, etablierte Twista diesen Style auf seinem Debütalbum „Runnin‘ Off At The Mouth“ von 1991 (noch unter dem Alias „Tung Twista“, also „Zungenbrecher“). Nach ein paar entspannteren Jahren im Untergrund kam Twista auf Do Or Dies „Po Pimp“ wieder zum Vorschein. Womit er den Nährboden für seine erste triumphale Rückkehr bereitete. Diese kam in Form des Klassikers „Adrenaline Rush“, einem Album, das noch heute oft genug in den „Rap Catalog Album Charts“ von Billboard erscheint. 1998 veröffentlichte Twista dann „Mobstability“ mit den Speedknot Mobstaz, bevor er bald darauf sein Label „Legit Ballin‘“ aus der Taufe hob, auf dem bis dato drei von der Kritik gefeierte und mit veritablem „Ghetto Gold“ ausgezeichnete Compilations erschienen sind. Während dieser ganzen Zeit perfektionierte Twista sein Handwerk und wartete den richtigen Moment für seine erneute, noch famosere Rückkehr ab. „Ich stehe für all die MCs, die Talent haben, und nicht nur einfach Musik machen, weil sie nicht besseres können“, sagt er. „Ich nehme mir Zeit und konzentriere mich. Ich hätte auch schon zehn Alben veröffentlichen können, wenn ich es nicht immer so genau mit meinem Material nehmen würde. Ich könnte den ganzen Tag herumsitzen und Texte schreiben. Aber ich schreibe am besten, wenn ich in der richtigen Stimmung dazu bin, und nicht, wenn ich es gerade muss. Ich stehe für die Künstler, die immer ehrlich sind, die immer das schreiben, was sie wirklich fühlen, denken und erleben.“
Seinen hochgesteckten Ansprüchen wird Twista auf „Kamikaze“ mit Leichtigkeit gerecht. Das Album festigt seinen angestammten Platz als einer der besten Rapper, die je ein Mikrophon in der Hand hielten. Außerdem ist es ein Mahnmal seiner lang ersehnten Rückkehr an die Spitze des Hip Hop-Game. „Ich will den Straßen zeigen, dass ich wieder da bin und dass ich dem Game immer noch treu bin“, verkündet Twista. „Musikalisch will ich zeigen, dass ich auf der Höhe der Zeit bin, aber immer noch mein Ding mache. Nachdem inzwischen all die Leute, die Platten gemacht haben, als ich zuerst Erfolg hatte, längst schon nicht mehr dabei sind, komme ich mal wieder an die Spitze und messe mich mit den Neulingen. Und dabei ist es mir wichtig, endlich mal Platin zu machen. Das fehlt schließlich immer noch auf meiner „To Do“-Liste.“ Bis jetzt.
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